Drei Räuber und ihr Weg vom Buch auf die Bühne

Wer hier schon länger liest, der weiß, dass wir immer wieder auch gern Kinderbuchadaptionen aus Film und Theater vorstellen. Die Theaterinszenierungen liegen uns dabei besonders am Herzen und wir sind immer wieder überrascht, welchen neuen Blick man durch den Wechsel vom Buch zur Bühne auf eine Geschichte bekommen kann.

Ein großes Glück für uns ist daher die Tatsache, dass wir vor Ort eines der besten Kinder- und Jugendtheater des Landes haben und sich im Spielplan immer wieder tolle Stücke finden lassen, die wunderbar zu den LeseEntdeckern passen. Dieses Mal waren es drei schreckliche Kerle, die es uns schon in der Vorankündigung angetan hatten und schnell entstand die Idee, einmal den Weg aufzuzeigen, den eine Kinderbuchgeschichte bis hin zur Theaterinszenierung nehmen kann. Dass dabei sogar noch ein ausgezeichneter Animationsfilm eine Rolle spielt, macht das Schreiben über das medienübergreifende Erleben einer Geschichte erst recht spannend.

Kommt also mit und begleitet uns – hin zur kleinen Bühne unter dichtem Blätterdach. Dorthin, wo im Sommer in Dresden Fantasie und Spaß großgeschrieben werden. Kommt mit zum tjg. Sommertheater im SONNENhäusel.

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Eingang zum SONNENhäusel im Großen Garten Dresden.

Gespielt wird dort gerade als Puppenspielproduktion der wunderbare Klassiker Die drei Räuber von Tomi Ungerer. Eine Bilderbuchgeschichte, die erstmals 1963 erschienen ist und seiner Zeit damals weit voraus war. Wir haben uns mit dem Regisseur Frank Alexander Engel am SONNENhäusel getroffen und über die Entstehung des Stücks gesprochen. Dank der darauf folgenden Premiere bei schönstem Sommertheater-Wetter können wir an dieser Stelle außerdem unsere gesammelten Eindrücke der Inszenierung mit euch teilen und Vergleiche zum Buch anstellen.

Die drei Räuber von Tomi Ungerer und übersetzt von Tilde Michels, erschienen im Diogenes Verlag. Am tjg. Theater der jungen Generation Dresden als Puppenspiel in einer Fassung von Frank Alexander Engel nach dem Buch und dem Film (Hayo Freitag) aufgeführt.

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Die Drei Räuber © Diogenes, Illustrationen: Tomi Ungerer – vor den Kulissen der Inszenierung am tjg.

Sie sind ganz fürchterliche Kerle – diese drei Räuber. Ausgestattet mit weiten schwarzen Mänteln und hohen schwarzen Hüten sowie Donnerbüchse, Blasebalg und Beil räubern sie durch den Wald und jagen Mensch wie Tier jede Menge Schrecken ein. Stets auf der Suche nach neuer Beute.

So beginnt Tomi Ungerers Räubergeschichte und führt uns weiter bis hin zu der schicksalshaften Begegnung der drei vermeintlich schrecklichen Gesellen mit einem kleinen Mädchen. Ein Waisenkind, das in einer Kutsche zu einer wunderlichen alten Tante gebracht werden soll und sich als die einzige Beute herausstellt, die die Räuber bei diesem Überfall mitnehmen können. Tiffany ihr Name!

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Innenseite aus: Die Drei Räuber © Diogenes, Illustrationen: Tomi Ungerer – vor den Kulissen der Inszenierung am tjg.
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Innenseite aus: Die Drei Räuber © Diogenes, Illustrationen: Tomi Ungerer – vor den Kulissen der Inszenierung am tjg.
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Innenseite aus: Die Drei Räuber © Diogenes, Illustrationen: Tomi Ungerer – vor den Kulissen der Inszenierung am tjg.

Wir haben es hier mit einem kurzen, wenn auch unheimlich prägnanten Bilderbuch zu tun. Denn an der Stelle des Aufeinandertreffens der Räuber mit Tiffany ist man bereits bei der Hälfte des Buches angelangt. Ein paar Seiten weiter kann man schon das Ende lesen. Die Frage, die sich da natürlich stellt: Wie gelingt es, aus einer so kurzen Geschichte ein ganzes Theaterstück zu machen? Des Rätsels Lösung liegt in dem wunderbaren Animationsfilm zum Buch, der 2007 von Hayo Freitag produziert wurde. In Zusammenarbeit mit Tomi Ungerer höchstpersönlich hat er die Geschichte behutsam um einige Nebenstränge und Figuren ergänzt und dem Ganzen somit mehr Handlung verschafft.

In unserem Gespräch mit Herrn Engel erfahren wir, dass sich auch das Puppentheaterstück am tjg. auf diese erweiterte Handlung stützt. Auch hier wird der “schlimmen Tante” sowie ihrem Faktotum – dem Kutscher – ein Gesicht gegeben und um sie herum ein ganzes Waisenhaus geschaffen. Weitere Kinder spielen eine Rolle und außerdem gibt es einen Gendarm, der einerseits versucht den Räubern auf die Schliche zu kommen und andererseits nach der vermissten Tiffany Ausschau halten soll.

Die Verführung, den wirklich zauberhaften Film 1:1 auf die Bühne zu bringen, sei groß gewesen, erzählt uns Herr Engel weiter. Doch habe das Puppenspiel gegenüber dem Film dann doch bestimmte Grenzen. Schon allein bei der Umsetzung der neun übernommenen Figuren sei viel Kreativität gefragt gewesen. So komme man bei drei Schauspielern ja nun einmal nur auf sechs Hände. Dem Wechsel von Schauspielern und Puppen kommt dabei natürlich eine besondere Bedeutung zu, erfahren wir.

Aufgeteilt wurden die Rollen vor diesem Hintergrund dann schließlich auf drei Schauspieler (Tante, Kutscher und Gendarm) sowie auf sechs Puppen (die drei Räuber, Tiffany und zwei Waisenhausjungen). Besonderheit des Stücks ist zudem die Gliederung in 13 Kapitel, die zwischendurch jeweils auch angesagt und sogar betitelt werden. Sie geben dem jungen Publikum eine gewisse Orientierung innerhalb der Handlung und vermitteln ein Gefühl für die Form des Dramas. Außerdem darf natürlich fleißig mitgezählt werden.

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Der Kutscher (Christoph Levermann) holt Tiffany ab – Gerndarm (Dorothee Carls) im Hintergrund © tjg, Foto: Dorit Günter

Herr Engel beschreibt uns Die drei Räuber als ein modernes Märchen mit einer Art Utopie am Ende. Die Hauptfigur Tiffany hingegen ist für ihn wie die kleine Schwester von Pippi Langstrumpf, verrät er uns. Und genau vor diesem Hintergrund ist sein Stück dann auch entstanden. Märchenhafte Elemente treffen auf ein starkes kleines Mädchen, das sich zu wehren weiß und sein Schicksal selbst in die Hand nimmt – wenn auch ganz klischeehaft in Rosa. Oder sagen wir besser – gerade deswegen in Rosa. Denn dass Tiffany eben kein typisches Püppchen ist, das merken die kleinen Zuschauer von Anfang an.

So sitzt die kleine Lady dann auch auf der Bühne ganz tapfer in der Kutsche und hofft dem Waisenhaus doch noch irgendwie entkommen zu können. Durch einen dunklen Wald fährt der WaisenhausExpress dabei und man kann nur staunen, mit welchen einfachen Ideen und Effekten die Schauspieler dabei ungeheuerliche Stimmung aufkommen lassen.

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Kutschfahrt durch den dunklen Wald (Dorothee Carls links und Christoph Levermann als Eule) © tjg, Foto: Dorit Günter

Wie im Film hat man der Szene, wo Tiffany und die Räuber aufeinandertreffen, auch im Puppenspiel viel Raum gegeben. Gerade noch versunken in ihr Märchenbuch, erkennt unsere kleine Heldin ihre Chance und holt kurzer Hand den Maharadscha, von dem sie eben noch gelesen hat, aus dem Buch heraus und macht ihn zu ihrem Papa. Den drei Räubern erzählt sie, dass dieser sicher viel Lösegold für sie zahlen würde. Und so kommt es, wie es kommen muss, die Räuber nehmen sich dem kleinen Mädchen an und nehmen es mit in ihre Räuberhöhle.

“Der größte Schatz des Maharadschas
wohnte allerdings im Kinderzimmer.
Es war seine Tochter!”

(Auszug aus Tiffanys Märchenbuch)

 

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Innenseite aus: Die Drei Räuber © Diogenes, Illustrationen: Tomi Ungerer – vor den Kulissen der Inszenierung am tjg.
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Tiffany und das Märchenbuch, Filmszene aus Die Drei Räuber © X Verleih AG
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Die drei Räuber finden Tiffany, Filmszene aus Die Drei Räuber © X Verleih AG

Dort angekommen, wird Tiffany zur Räuberprinzessin und enttarnt Malente, Donnerjakob und Flinn – wie die drei Räuber im Film und Theaterstück heißen – als ziemlich gutmütige und fürsorgliche Kerle, die es sichtlich genießen, dass nun auch ein weiblicher Part in ihren Männerhaushalt eingezogen ist. Sogar der vorerst sehr skeptische Anführer Malente weicht mehr und mehr unter Tiffanys Zauber auf. Jeden Morgen gibt es “Frühstück bei Tiffanys” und gemeinsam wird an einem Erpresserbrief an Tiffanys vermeintlichen Papa geschrieben. Sehr schön dabei der Teil, in dem Tiffany den Räubern das Lesen und Schreiben beibringen möchte.

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Frühstück bei Tiffanys © tjg, Foto: Dorit Günter

Der Schauplatz der Räuberhöhle wechselt während des Stückes immer wieder auch zum Waisenhaus, wo die kleinen Zuschauer das drohende Unheil sehen, dass eigentlich auf Tiffany wartet. Geleitet wird dieses nämlich von der bösen Tante, bei der nicht ganz klar ist, ob sie nicht womöglich sogar eine Hexe oder Zauberin mit magischen Kräften ist. Eine Darstellung, für die sich Herr Engel bewusst so entschieden hat, denn der negative Part der Geschichte schwebe somit etwas und mache es zusätzlich interessant und spannend, erzählt er uns.

Und wenn diese furchtbare Person dann zu den armen Waisenkindern spricht, dann blickt sie mit giftigen Blicken ins Publikum und holt die kleinen Zuschauer somit direkt mit in die Geschichte. Das ist herrlich mit anzusehen – besonders wenn der ein oder andere unter ihnen dann dagegenhält und mit einem frechen Spruch zeigt, dass er nicht einzuschüchtern ist. Mutig mutig bei dieser Tante, finden wir das.

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Die böse Tante (Annemie Twardawa) © tjg, Foto: Dorit Günter
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Die böse Tante und ihre Waisenkinder, Filmszene aus Die Drei Räuber © X Verleih AG

Und so geht das Stück in 13 Kapiteln seinem Höhepunkt entgegen. Den wollen wir hier natürlich nicht verraten – dafür aber unser ganz persönliches Highlight: Der Tanz der Tiffany! Denn bisher haben wir geglaubt, dass Puppen auf der Bühne nur mithilfe von Fäden tanzen können und das dann meistens auch eher ein verhaltener Tanz ist. Herr Engel und sein Team auf der Bühne haben uns aber eines besseren belehrt. Drei Schauspieler mit sechs Händen an nur einer Puppe veranstalten dort einen Tanz, bei dem man glatt vergisst, dass es sich dabei um einen Puppentanz handelt.

Da verstehen wir Herrn Engel sehr gut, wenn er uns davon berichtet, dass die Form des Puppentheaters für ihn die spannendste Theaterform überhaupt sei und er das breite Spektrum, das es bietet, sehr schätze.

“Als Puppenspieler und Ausstatter habe ich
– wie auch im Buch –
die Möglichkeit ins Illustrative zu gehen.

Aber ich belasse es nicht dabei
Sondern ich mache es dramatisch, indem ich den Figuren

Leben, Tempo, Atem und Herzschlag zugebe.”

(Frank Alexander Engel)

 

Vor allem der Herzschlag ist im Stück Die drei Räuber besonders gut gelungen, denn jede einzelne Figur schafft es mit ihrer ganz eigenen Art und Weise zu berühren. Die vielen kleinen Effekte, Geräusche und Details tragen dazu genauso bei, wie die Darsteller und Puppenspieler selbst. Eine wirklich zauberhafte wie auch lustige Inszenierung ist dabei entstanden, die wir jedem, der diesen Sommer noch die Möglichkeit hat, wärmstens ans Herz legen möchten. Noch freie Termine findet ihr hier.

Damit alle Kinder das Räubern lernen.

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Tiffany in der Kutsche – Kulisse des tjg. am SONNENhäusel

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