Bilder lesen – Worte finden hieß es für uns im September in Troisdorf. Die Stiftung Illustration hatte zum achten – mittlerweile jährlich stattfindenden – Illustrations-Workshop ins Museum Burg Wissem eingeladen und feierte gleichzeitig zehnjähriges Stiftungsbestehen.
Es ging um die Bedeutung der Bilder in Büchern und die Wertschätzung der Illustrationskunst generell. Weil uns diese Themen auch sehr am Herzen liegen, waren wir also dabei und haben viel erfahren über gute Bilderbücher für Klein und Groß, Bildtradition in Deutschland und anderswo, Bildintelligenz und die untrennbare Wechselwirkung von Bild und Text. Lange haben die Vorträge und Diskussionen noch nachgewirkt und bei uns das Bedürfnis geweckt, noch mehr als bisher auf den Bildteil unserer LeseEntdeckungen einzugehen und diesem mehr Raum in den einzelnen Beiträgen zu geben.
Beginnen möchten wir damit auch gleich in unserer heutigen Buchvorstellung, die sogar in direktem Zusammenhang mit dem Workshop steht – bei der man aber zugegebenermaßen am Bild ohnehin nicht vorbei kommen würde. Das Beste von Allem ist ein Bilderbuch der besonderen Art – besonders dick und besonders vielfältig. Ein buntes Potpourri der aktuellen Illustrationskunst in Deutschland – ins Leben gerufen von den beiden Illustratorinnen Jutta Bauer und Katja Spitzer.
Einige der Originale aus dem Buch konnten wir im Rahmen des Workshops bereits in der gleichnamigen Ausstellung bestaunen, die einen Monat im Bilderbuchmuseum zu sehen war. Diese Woche nun werden sie auf der Frankfurter Buchmesse zugunsten der Stiftung Illustration und der einzelnen Künstler versteigert.
Das Beste von Allem herausgegeben von Jutta Bauer und Katja Spitzer, erschienen im Aladin Verlag.
Auf etwa 100 Seiten versammelt Das Beste von Allem 54 verschiedene Begriffe – visualisiert von 60 Illustratoren und vier Kindern. Ob gezeichnet, gemalt, geklebt oder gedruckt – jedes einzelne Bildchen zeigt, wie verschiedenen ein und dieselbe Sache gesehen und wiedergegeben werden kann. Es ist ein große Freude beim Anschauen die unterschiedlichen Stile und Ausdrucksformen der einzelnen Illustratoren wiederzuerkennen oder neu zu entdecken. Vor allem ist es aber eine Freude für die kleinen LeseEntdecker, denn dieser kunterbunte Katalog der Illustration ist bestens geeignet für ihre kleinen Köpfe voller Fantasie. Hier können sie benennen und beschreiben, unterscheiden und vergleichen oder auswählen und bewerten. Sie können Farben und Formen entdecken, stilistische Mittel interpretieren, Geschichten dazu erfinden oder sich einfach nur amüsieren.
So gilt es beispielweise auf der Doppelseite der Löwen- und Tiger den Wildesten und den Zahmsten unter ihnen zu finden, es können außerdem Zähne und Streifen gezählt, Mähnen verglichen oder Farben sortiert werden. Und auch auf weiteren tierischen Doppelseiten kann man sich gefühlte Stunden aufhalten. Allein um die vielen unterschiedlichen Tiere im Eis zu benennen, zu ordnen und anschließend den Coolsten unter ihnen zu wählen, braucht es Zeit.
Neben einer ganzen Riege an weiteren tierischen Kategorien spielten bei der Auswahl der Begriffe und Themen aber auch bestimmte Typen und Figuren eine große Rolle. Herrliches Märchenraten ist da genauso möglich wie ganze Familienzusammenführungen. Jede einzelne Kategorie lässt Kinder und Erwachsene gleichermaßen wunderbar ins Gespräch kommen. Wohin gehört Ole Könneckes bebrillter Zwerg? Warum weint Larissa Bertonascos schöne Prinzessin? Und welchen Froschkönig lohnt es sich nun am ehesten zu küssen – den, der bereits seine Prinzessin gefunden hat oder doch eher den, der samt Schild so einladend dazu auffordert? Welche Mama passt am besten zu Ina Hattenhauers bärtigem Papa auf dem Fahrrad? Was wiegt da mehr – Technik, Ausdruck oder Stil? Und lassen sich dazu auch noch die passenden Geschwisterkinder finden? Zu genau solchen Fragen und Auseinandersetzungen laden die kleinen Kunstwerke Seite für Seite immer wieder ein.
Inhaltlich gesehen bietet dieser illustrierte Katalog also unzählige Möglichkeiten Bilder zu lesen und dafür die richtigen Worte zu finden. Aber auch was Stil und Technik der versammelten Künstler betrifft, hat man hier die Möglichkeit zu vergleichen, zu hinterfragen und gegenüber zu stellen. Welche Bilder berühren und bewegen mich? Und warum ist das so? Welche Darstellungsformen und künstlerischen Mittel kommen zum Einsatz, die dafür eventuell verantwortlich sein könnten?
Mithilfe der Frisuren- und Bärte-Doppelseiten im Buch wäre so beispielsweise echte Stilberatung möglich – Friseure sollten ernsthaft überlegen sie in ihren Wartebereichen auszulegen. Je nach Stimmung wirkt ein und derselbe Haarschnitt durch ein paar unterschiedliche Strichstärken oder eine andere Farbwahl vollkommen anders auf den Betrachter. Wo die eine Illustration noch zum Lachen bringt, wirkt die andere eher inspirierend.
Die Herausgeberinnen haben in ihrer kurzen Präsentation des Buches zur Ausstellungseröffnung davon gesprochen, dass durch dieses Projekt ein wahrer Schatz entstanden sei. In Gestalt des Buches an sich, aber vor allem auch aufgrund der vielen eingescannten Originale, die nun digital vorliegen und noch viele weitere Möglichkeiten bieten.
Wir stimmen ihnen zu, denn wo trifft man auch schon einmal versammelt in einem Buch auf die Handschrift so vieler bedeutender Illustratoren. Das Beste von Allem ist eindeutig ein Schatz – außerdem eine Inspirationsquelle, ein wunderbarer Fundus und ein großartiger Beleg für die Kraft des illustrierten Bildes.
Außerdem sind wir der Meinung, dass sich dieses Buch hervorragend eignet, um ausgiebig mit kleinen Händen erkundet zu werden. Die Bilder stehen im Vordergrund, auf Text wird fast komplett verzichtet und auch die robuste Beschaffenheit des Buches spricht dafür, dass es nicht nur ein Sammlerstück sein sollte. Wir wünschen dem Illustratoren-Team, der Stiftung Illustration und dem Aladin Verlag, dass es viele Kindergärten, Schulen und Institutionen für sich entdecken und ihren kleinen LeseEntdecker die Möglichkeit geben es kennenzulernen. Im besten Fall werden diese nämlich vom Aufbau des Buches inspiriert – inspiriert dazu ihre eigenen Versionen zu bestimmten Begriffen und Themen aufs Papier zu bringen und diese tolle Idee weiter zu tragen.
Liste aller mitwirkenden Illustratoren: Monika Aichele, Anne Baier, Verena Ballhaus, Jutta Bauer, Susanne Rotraut Berner, Larissa Bertonasco, Jeanette Besmer, Franziska Biermann, Jens Bonnke, Nadia Budde, Judith Drews, Maria Eisenächer, Aisha Franz, Susanne Göhlich, Felix Görmann (Flix), Golden Cosmos, Constanze Guhr, Stefanie Harjes, Ina Hattenhauer, Nikolaus Heidelbach, Sybille Hein, Egbert Herfurth, Doro Huber, Rudi Hurzlmeier, Joëlle Jolivet, Norman Junge, Regina Kehn, Halina Kirschner, Mike Klar, Ole Könnecke, Vitali Konstantinov, Anke Kuhl, Yvonne Kuschel, Franziska Ludwig, Sophia Martineck, Gerlinde Meyer, Kerstin Meyer, Bernd Mölck-Tassel, Jörg Mühle, Birte Müller, Thomas M. Müller, Eva Muggenthaler, Barbara Nascimbeni, Franziska Neubert, Isabel Pin, Moni Port, Axel Scheffler, Marei Schweitzer, Katja Spitzer, Katrin Stangl, Britta Teckentrup, Karsten Teich, Philip Waechter, Franziska Walther, Nina Wehrle, Claudia Weikert, Sabine Wilharm, Stephanie Wunderlich, Franz Zauleck sowie die Kinder Johann Waechter, Olivia Wittkuhn, Frida Luzie Zipp und Julie Kuhl