Anlässlich der Buchmessewoche möchten wir hier ein paar unserer liebsten Herbstnovitäten zeigen. Und da ihnen dieses Jahr ihr großer Auftritt in den Hallen, Gängen und Gesprächen fehlen wird, sollen sie hier besonders glänzend vorgestellt werden. Den Anfang macht ein großartig innovatives Kindersachbuch zum Thema Halloween – das Fest, das hierzulande noch recht widersprüchlich wahrgenommenen wird. Die Kinder lieben es, aber oft wird dem gruseligen Treiben vor Allerheiligen nur importierter Kommerz unterstellt.
Bei ultramar media hat man sich auf Spurensuche begeben und entstanden ist ein Buch, das – ganz im Dienste der kleinen Geister, Monster oder Vampire – damit aufräumt, Halloween sei eine inhaltsleere und kommerzielle Angelegenheit, die mit Allerheiligen und wirklichem Brauchtum nichts zu tun hat. Gewohnt fundiert und im geschichtlichen und archäologischen Kontext führt Birge Tetzner ihre LeserInnen zu den Ursprüngen des Festes und schlägt sehr spannende Brücken zu verwandten Feiertagen, Bräuchen und Mythen. Nach dieser Lektüre wird niemand mehr nur den Kommerz in Halloween sehen.
Halloween – Von Geistern, Vampiren und anderen Spukgestalten von Birge Tetzner und illustriert sowie gestaltet von Dirk Uhlenbrock, erschienen bei ultramar media.
Das Buch an sich hat seinen Ursprung wiederum in einem kleinen Heftchen, von dem wir eigentlich schon vor einigen Jahren sehr angetan waren und es fast als Mitgebsel an die kleine Gruselschar vor der Tür empfohlen hätten. Ganz nach dem Motto Geschichte & Geschichten hatten Birge Tetzner und Dirk Uhlenbrock schon 2017 einen Teil des Inhalts als kleines Heftchen für die Reihe Schlau Fux konzipiert. Aufgrund der Mannigfaltigkeit des Themas haben sie sich aber schließlich für den Weg als Buch entschieden und dem Geschichtlichen und Informativen auch jede Menge Inspiration für all das, was an Halloween besonders viel Spaß macht, zur Seite gestellt – das Naschen, Gruseln und Verkleiden.
Auftakt ins Buch bildet Die Legende vom alten Jack, die von der Autorin wunderbar gruselig nacherzählt wird und als Ausgangspunkt der Spurensuche, wo das Fest eigentlich seinen Anfang nahm, sehr passend gewählt ist. Denn der alte Jack geht am Ende der Erzählung mit einer ausgehölten Rübe, die ihm als Laterne dient, seiner Wege. Warum das so ist und wie es zu diesem sonderbaren Lichtbegleiter kam, das soll hier natürlich nicht verraten werden. Der Bezug zum heutigen Kürbisschnitzen zeigt sich aber schon da.
Außerdem eignet sich diese kurze Legende auch wunderbar als Vorlesegeschichte zu Halloween. Und weil sich nicht jeder zu seiner Halloween-Party einen so tollen Sprecher wie Andreas Fröhlich zum Vorlesen einladen kann, hat Rupert Schellenberger die Legende gemeinsam mit ihm aufgenommen und herrlich schaurig arrangiert. Im Buch befindet sich ein QR-Code, mit dem man sich diese tolle Geschichte herunterladen und immer wieder vorlesen lassen kann. Ein großartiges Extra und wunderbare Möglichkeit Buch- und Hörerlebnis, für das der Verlag mittlerweile gleichermaßen steht, zu verbinden.
Während Birge Tetzners Spurensuche erfahren die jungen LeserInnen vom ursprünglichen Glaube der Menschen an den sogenannten Nebelschleier zwischen den Welten, der am Abend vor Allerheiligen die Grenze zwischen Leben und Tod durchlässig werden lässt. Lange Zeit glaubte man danach, dass die Verstorbenen sich in dieser Nacht wieder unter die Lebenden mischten. Verschiedene Bräuche sollten die Geister der Toten entweder milde stimmen bzw. einladen oder aber im Gegenteil abwehren oder vertreiben.
In diesem Zusammenhang stehen zum Beispiel auch einige althergebrachte Rezepte, die aus diesen Zeiten stammen. Birge Tetzner hat einige von ihnen im Buch samt Bedeutungserläuterung zum Nachbacken versammelt. So wird aus geschichtlichen Fakten gleich noch ein Erlebnis für die Sinne.
Wie die ausgehölte Rübenlaterne aus Irland zum, mit Fratzen versehenen, Schnitzkürbis aus Amerika wurde, das kann ebenso detailliert nachgelesen werden, wie die Entwicklung der unterschiedlichen religiösen Hintergründe um Halloween und Allerheiligen. Nie hat man dabei aber das Gefühl, man forscht nach staubtrockenen historischen Quellen, denn Birge Tetzner versteht es auch bei diesem Thema die Bezüge zur Lebenswirklichkeit der Kinder und Jugendlichen nicht zu vergessen. So spielen natürlich auch das Verkleiden oder ein Einblick in so manch spannende Wahrsagespiele eine wichtige Rolle zwischen den einzelnen Kapiteln.
Mit vielen lustigen Illustrationen und ausdrucksstarken Grafiken verleiht Dirk Uhlenbrock dem Buch zudem einen ganz eigenen Look. Die Farben sind gedeckt, aber vielfältig – der Satz lässt dem Auge genügend Freiraum zum Hin- und Herspringen und die Fotos kommen, dank kreativster Rahmungen, wunderbar zum Ausdruck. Eine große Besonderheit ist zudem die Tatsache, dass Dirk Uhlenbrock extra für das Buch eine eigene Schrift entwickelt hat, die ebenso wie die inszenierte Lesung kostenlos zum Download zur Verfügung gestellt wird. Wir haben das gleich einmal ausprobiert und kleine Gruselsticker gestaltet, die wir den kleinen Monstern, Hexen und Zombies am Halloween-Abend mit unter die Süßigkeiten mischen werden.
Neben der Unterscheidung von Halloween und Allerheiligen, nimmt Birge Tetzner auch immer wieder die Veränderungen der Bräuche im Wandel der Zeit und von Region zu Region in den Blick. So geht sie beispielsweise auch auf den Dia de los Muertos – den Tag der Toten – in Mexico ein. Das ist vor allem deswegen so spannend, weil sich das Gedenken an die Toten dort ganz anders gestaltet und in keinster Weise mit Grusel oder Schrecken zu tun hat.
In Mexico feiert man drei Tage lang nicht nur in Gedenken an, sondern auch mit den Verstorbenen. Die Feierlichkeiten sind bunt und fröhlich, werden von lustigen Knochenmenschen begleitet und zeugen von dem Glaube der Mexikaner, dass die Toten gar nicht tot sind, sondern nur hinter dem Nebenschleicher in einer anderen Welt leben. Mit den orange leuchtenden Studentenblumen weist man ihnen am Dia de los Muertos den Weg durch den Schleier hindurch, um für kurze Zeit wieder vereint sein zu können. Was für ein kraftvoller und tröstender Brauch, der in diesem Umfang sicher den wenigsten jungen LeserInnen bekannt sein dürfte.
Es ist sehr schön, dass die Kinder nun auch hierzulande für die schaurigste Nacht des Jahres ein so fetziges Buch haben, das ihnen dieses Fest auf der einen Seite erklärt und nahebringt und auf der anderen Seite noch reichlich Inspiration für die Ausgestaltung mitliefert. Wir haben uns schon das ein oder andere Rezept für das Grusel-Buffet vorgemerkt und auch die zweite Gruselgeschichte am Ende des Buches liegt bereit. Mal sehen, ob wir uns trauen sie vorzulesen, denn sie ist wirklich sehr schaurig und echt zum Gruseln, weil nämlich nicht erfunden, sondern wahr.
Den Kommerz muss man nicht mitmachen, deswegen aber auch auf die Freude zu verzichten, die diese herrliche Gruselnacht mit sich bringt, wäre sehr schade. Birge Tetzner und Dirk Uhlenbrock zeigen mit ihrem Buch, wie das geht und machen Geschichte, Archäologie und Vergangenheit ganz nebenbei für die jungen LeserInnen erlebbar – so wie man es auch bei den anderen Titeln des Verlages bereits gewohnt ist.