Ben – Indianerhäuptling, Schildkrötenkenner und kleiner Bruder

Nach Lasse und Fred soll hier nun noch ein dritter junger Mann vorgestellt werden, der uns schon lang begleitet und nun auch endlich seinen Platz im EntdeckerKoffer bekommen wird. Die Rede ist von Ben – einem fröhlichen Blondschopf, der uns in zwei Bänden von der spannenden Zeit zwischen Kindergarten und erstem Schuljahr erzählt. Und er tut es mit einer so unvoreingenommenen Sichtweise, wie es eben nur ein Kind tun kann. Für die kleinen LeseEntdecker bedeutet das (Vor-)Lesespaß auf  Augenhöhe und für die Großen ist es ein wunderbarer Einblick in die Gefühlswelt eines Schulanfängers.

Ben. und Ben. – Schule, Schildkröten und weitere Abenteuer von Oliver Scherz und illustriert von Annette Swoboda, erschienen im Thienemann Verlag.

Ben. und Ben – Schule, Schildkröten und weitere Abenteuer © Thienemann Verlag, Illustrationen: Annette Swoboda

Wir lernen Ben an einem besonderen Tag kennen – dem Geburtstag von Herrn Sowa. Herr Sowa ist Bens Schildkröte und treuer Begleiter bei so manchem Abenteuer. Und deswegen setzt Ben an diesem besonderen Tag auch alles dran, damit es ein toller Geburtstag für ihn wird. Herr Sowa darf ins Meer – was bedeutet, er kann solange wie er will, in der Badewanne schwimmen. Doch bevor es dazu kommt, überschlagen sich die Ereignisse und Ben taucht lieber selbst ab – und zwar vor seiner Mutter. Die kommt nämlich nichtsahnend, dass Ben den Hahn der Badewanne laufen lassen hat, währenddessen er auf der Suche nach Geburtstagsgästen für seinen gepanzerten Freund war, nach Hause.

Schon in diesem ersten Kapitel gelingt es Oliver Scherz, dass wir seinen Ben unheimlich lieb gewinnen. Wir sind entzückt von seinem Tatendrang Herrn Sowa eine große Geburtstagsfreude zu bereiten und würden ihm gern die richtige Ausrede zuflüstern, als ihn seine Mutter nach seinem Schlamassel zwischen Schaum- und Wäschebergen im Badezimmer entdeckt. Es ist ein turbulenter und lustiger Auftakt, der den kleinen LeseEntdeckern da geboten wird. Das Besondere daran ist aber die Nähe zum kleinen Protagonisten, die von Anfang an hergestellt wird. Vielleicht liegt das daran, dass Ben als Ich-Erzähler persönlich die Geschichte erzählt – vielleicht aber auch am fantasievollen Schreibstil des Autors und so manchen Erinnerungen aus der eigenen Kindheit. In jedem Fall fällt es nicht schwer, sich direkt in den kleinen Blondschopf hinein zu fühlen.

So auch in den vielen Momenten, in denen Ben von seinem großen Bruder erzählt. Viel Liebe, Freundschaft, große Bewunderung und Stolz sind da ebenso zu spüren, wie Enttäuschung und Frust. Mit ganz einfachen Mitteln wird so die besondere Beziehung der Brüder zueinander beschrieben, die in beiden Büchern von großer Bedeutung ist.

Manchmal bewundere ich meinen Bruder.
Eigentlich ziemlich oft. Meistens aber von Weitem.
Wenn ich zum Beispiel am See sitze
und schon in mein Handtuch gewickelt bin.
Dann sehe ich ihm dabei zu, wie er mit seinem Kopf voran
von einem Felsen ins Wasser springt. […]

Und jetzt, wo er am Fluss ist und ich in seinem Baumhaus sitze,
möchte ich am liebsten wie Alex Bücher ohne Bilder lesen und
meinen Namen mit einem Messer in die Wände ritzen […]

 

Innenseite aus: Ben. © Thienemann Verlag, Illustrationen: Annette Swoboda

Detail aus: Ben. © Thienemann Verlag, Illustrationen: Annette Swoboda

Mindestens genauso bedeutsam ist aber natürlich die Beziehung zu Herrn Sowa. Kind und Tier verbindet eine tiefe Freundschaft und ein Zusammengehörigkeitsgefühl sondergleichen. Für Ben ist seine Schildkröte nicht nur ein Haustier, sondern ein wirklicher Freund. Ein Freund, der ihm zuhört und mit dem er nicht nur das Zimmer teilt. Ihm teilt er sich auch mit – seine Gedanken, Erkenntnisse und Ängste. Und das sind – ist man fünf oder sechs Jahre alt – nicht gerade wenige. Und weil das so ist, will natürlich auch Ben ein wirklicher Freund sein. Der Badewannen-Geburtstag war da nur der Anfang. Ben hat es sich zur Aufgabe gemacht, seinem tierischen Freund die Welt zu zeigen und ihn von seinem Langsamsein zu befreien. Denn irgendwie ist Herr Sowa immer etwas zu langsam für die echten Abenteuer.

Dass die Langsamkeit aber ganz wesentlich zu ihm gehört und er nicht für schnelle, abenteuerliche Flussfahrten geeignet ist, muss Ben erst noch erkennen. Zu lernen, was es bedeutet für ein Tier verantwortlich zu sein, ist nicht ganz einfach – gehört aber zum Großwerden dazu.

“Ab jetzt musst du Schildkrötensachen machen”, erkläre ich ihm.
“Dich unter der warmen Lampe sonnen, zum Beispiel.
Oder mit deinem Wasser blubbern.
Wettrennen geht leider nicht mehr.
Du siehst ja, was dabei rauskommt.”

Herr Sowa guckt mich traurig an.
“Nein, nein, Herr Sowa.
Eine Schildkröte ist eine Schildkröte.”, sage ich.
Auch wenn ich bestimmt noch lange brauche,
um mich daran zu gewöhnen.

 

Auch zum Großwerden dazu gehört die Erkenntnis, dass Mädchen überhaupt nicht doof sind – auch wenn das große Brüder gern mal behaupten. Zu dieser Erkenntnis kommt Ben erstaunlich zeitig, denn er lernt Ina kennen, die mit ihrer Familie im Nachbarhaus einzieht. In ihr findet er die perfekte Indianerfrau – denn manchmal ist Ben lieber ein Indianer. Und mit Ina zusammen macht das Indianerleben besonders viel Spaß. Außerdem rettet sie ihn auch gelegentlich – wenn er beispielsweise auf der Flucht vor seinem Bruder ist, der ihm wie ein Cowboy nachjagt. Dass Ben anschließend seine Beute mit ihr teilt, ist selbstverständlich – wie so vieles zwischen den beiden.

Innenseite aus: Ben. © Thienemann Verlag, Illustrationen: Annette Swoboda

SONY DSC

Innenseite aus: Ben. © Thienemann Verlag, Illustrationen: Annette Swoboda

Bens Erzählungen gehen eindeutig ans Herz und machen sehr viel Spaß. Einen großen Beitrag dazu leisten die bezaubernden Temperabilder von Annette Swoboda. Mit viel Gespür für die Geschichte hat sie genau die Szenen ausgewählt, die unbedingt ins Bild übersetzt werden mussten. Ihre Illustrationen fangen die Lebendigkeit und Wärme, die jedes Kapitel in sich trägt, auf ganz besondere Weise ein. So hat sie beispielsweise einen wunderbaren Ben entworfen – manchmal verträumt, ab und zu ängstlich oder etwas überfordert, ganz oft aber einfach glücklich und herrlich lebendig. Sehr zum Schmunzeln ist auch immer wieder, wie Herr Sowa ins Bild gesetzt wird. Besonders zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang die kleinen Schildkröten-Szenen, die der Handlung regelmäßig als kleines Extra beigefügt werden.

Der krönende Abschluss des ersten Buches ist Bens erster Schultag, der die Welt über Nacht hat wachsen lassen, ihn mit einer Zauberin bekannt macht und an dem ein neuer, aufregender Lebensabschnitt für ihn und Ina beginnt. Ein Abschnitt, von dem Ben uns schließlich im zweiten Band ausführlich berichtet.

Die Lehrerin malt Zahlen und Buchstaben an die Tafel.
Bald werden wir lesen, schreiben und rechnen können.
Und noch einiges mehr, behauptet sie.

 

 Sie kommt mir vor wie eine Zauberin.
Vielleicht kann ich wirklich bald lesen und schreiben.
Dann werd ich mir das Buchstabenbuch aus Alex´Baumhaus ausleihen
und endlich wissen, was drinnen steht.

 

Innenseite aus Ben – Schule, Schildkröten und weitere Abenteuer © Thienemann Verlag, Illustrationen: Annette Swoboda

Der zweite Teil setzt direkt am ersten an und wir erleben mit Ben die ersten Monate in der Schule. Und das ist wirklich ein Glück, denn sonst hätten wir nie erfahren, wie groß Bens Indianermut tatsächlich ist, wie sich Alex als Leibwächter so macht und ob sich Herr Sowa mit seiner neuen Freundin Frau Lea eigentlich gut versteht. Es gibt wieder jede Menge zu lachen, mitzufiebern und zu staunen. Es entsteht sogar der Eindruck, als wären beide Bücher bereits von vorn herein zusammen angelegt gewesen – was aber nicht der Fall war. Ben erzählt einfach munter weiter und erzählt sich somit auf direktem Wege in die Herzen vieler kleiner LeseEntdecker, da sind wir uns sicher.

Seine Abenteuer sind ganz wunderbare Begleiter auf dem Weg zum lesenden Schulkind. Zuerst großartige Vorleseliteratur und später genau richtig, wenn es soweit ist, sich an das erste eigene Buch zu wagen. Wir hoffen sie werden noch oft den Weg in die Bücherregale der kleinen LeseEntdecker finden.

Innenseite aus: Ben – Schule, Schildkröten und weitere Abenteuer © Thienemann Verlag, Illustrationen: Annette Swoboda

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

*