Eigentlich sind Kinder ja Meister in Sachen Langsamkeit. Hier ein Käfer, da ein Stein – dort ein Flugzeug am Himmel und immer wieder die Frage nach dem Warum? – dem Wieso? – dem Wohin? Aber die Welt um sie herum ist schon längst nicht mehr langsam. Sie ist schnell – mitunter viel zu schnell. Doch da sie auch Meister darin sind, sich anzupassen, laufen sie eben auch geradewegs durch unsere hektische und reizüberströmte Welt – langsamen Schrittes zwar, aber zuversichtlich. Wachsen in ihr auf und verändern ihr Tempo, ihre Achtsamkeit und ihre Hingabe beinahe unbemerkt – passen sich an. Nicht immer – aber immer wieder.
Das Tempo unserer Gesellschaft können wir nicht einfach so verlangsamen, aber wir können versuchen, ihnen und uns immer wieder bewusst Ruheoasen zu schaffen. Momente, Tage oder gar ganze Zeitspannen, in denen wir entschleunigen und achtsamer leben.
Fängt man bei den Momenten an, so liegt nichts näher, als gemeinsam ein Buch aufzuschlagen und in eine andere Welt einzutauchen. In eine Welt, die viel langsamer ist und die auch uns für den Moment ausbremst. Die uns Inne halten lässt und unsere volle Konzentration beansprucht. Texte, Bilder und Materialien wollen gesehen, berührt und verinnerlicht werden – dies mit Hast und Eile zu tun, würde keinen Sinn machen.
Und genau darum geht es auch in der diesjährigen Botschaft zum Internationalen Kinderbuchtag, die dieses Mal aus Litauen kommt und uns vor Augen hält, wie wertvoll Bücher doch in unserer ruhelosen Welt sind und welch großen Wert ein aufgeschlagenes Buch in Kinderhänden doch hat.
Geschrieben und illustriert hat die Botschaft Kęstutis Kasparavičius – ein sehr bedeutender Schriftsteller und Illustrator des Landes. In seinen Überlegungen plädiert er für mehr Lesemomente und somit mehr Ruhemomente. Er lädt dazu ein, mehr Bücher zur Hand zu nehmen, sich hinzusetzen und aufmerksam zu sein. Denn in Büchern, so der Autor, geschehen die Dinge ruhig und in klar geregelter Reihenfolge.
Books help us not to rush,
books teach us to notice things,
and books invite us or even make us
sit down for a while.
Kęstutis Kasparavičius
(Übersetzung Daina Valentinavičienė)
Und er geht noch weiter. Nicht nur wir lesen die Bücher, nein natürlich lesen auch die Bücher uns. Vor allem lesen sie in unseren Augen, während wir in ihnen lesen. Ein wunderbar fantasievoller Gedanke, dem Kęstutis Kasparavičius in seiner Illustration den entsprechenden Raum gibt und der hier auf der Seite einfach auch nicht fehlen soll.
And haven’t you experienced another miracle –
that when you read a book,
the book reads you?
Yes, of course, books can read.
They read your forehead, eyebrows,
the corners of your lips as they rise and fall,
but, first and foremost, books read your eyes.
And looking into your eyes, they see…
Well, you know what!
Kęstutis Kasparavičius
(Übersetzung Daina Valentinavičienė)
Lasst uns heute also alle etwas langsamer durch den Tag gehen. Wir Großen sollten uns von den langsamen Schritten der kleinen LeseEntdecker anstecken lassen und uns die nötige Zeit für die Beantwortung all der Fragen nehmen. Und den Kindern wünschen wir heute und an allen anderen Tagen im Jahr die Möglichkeit, sich aus Stapeln, Regalen oder Auslagen immer wieder ein Buch auszusuchen, um sich hinzusetzen und die Welt um sich herum für einen Moment anzuhalten.