Zurück vom Meer, noch mit dem Gefühl von Sand zwischen den Zehen und dem Geruch von Salzwasser in der Nase, machen wir uns wieder an die Arbeit und stellen euch heute ein Kinderbuch vor, das uns das Meeresrauschen noch einmal ganz nahe bringt.
Eine Muschel für Romy von Tanya Stewner und illustriert von Martina Hoffmann, erschienen bei FISCHER KJB.
Nahe gebracht wird hier allerdings nicht nur das Meeresrauschen, sondern vor allem die Bedeutung von Freundschaft. Tanya Stewner widmet ihr neues Kinderbuch dem für kleine LeseEntdecker so elementaren Thema der Freundschaft. Mit viel Feingefühl erzählt sie die Geschichte einer anfänglichen Mädchenfreundschaft mit ihren schönen Momenten aber auch Hürden. Sie lässt uns teilhaben an der Gedankenwelt der kleinen Romy, die uns zeigt, dass es für ein kleines Mädchen gar nicht so einfach ist, eine gefundene Freundschaft auch zu halten und dass befreundet sein, eben auch erst gelernt sein will.
Wir lernen Romy und ihre Freundin Nika auf einer Wiese hinter dem Deich kennen. Gemeinsam wollen sie Romys Drachen steigen lassen. Beste Freundinnen sind die beiden – seit drei Tagen. Doch nach einer Auseinandersetzung, wer den Drachen nun wie hoch an der Leine halten soll und darf, will Nika das auf einmal nicht mehr sein.
Romy macht das sehr traurig – vor allem, weil sie doch bald Geburtstag hat und mit Nika und den anderen Kindern aus ihrer Klasse feiern möchte. Zuflucht sucht sie am Meer, vergräbt ihre Füße im Sand und denkt nach. Da macht Romy Bekanntschaft mit Mara – einer jungen Frau aus dem Dorf. Ihr vertraut sie sich an und erzählt von ihrem Kummer. Dass Nika nicht mehr ihre beste Freundin sein will, obwohl sie es versprochen hat und dass sie auch sonst keine Freunde mehr in ihrer Klasse hat. Wer soll nun noch zu ihrem Kindergeburtstag kommen?
Mara hört verständnisvoll zu und möchte Romy helfen. Nicht mit Taten im engeren Sinne, sondern viel mehr möchte sie der kleinen Romy etwas weitergeben. Etwas, was auch sie erst lernen musste, als sie noch klein war. Und weil viele Erklärungen bei Kindern meist nicht so nachdrücklich ankommen wie Erlebtes, geht Mara einen kleinen Umweg und schenkt Romy eine ganz besondere Muschel. Allerdings nur unter der Bedingung, dass Romy sie zurück ins Meer wirft.
Das zu verstehen fällt Romy natürlich schwer und sie entschließt sich zuhause dagegen und versucht stattdessen ein Loch in die wunderschöne Muschel zu bohren, um sie als Kette um den Hals tragen zu können. Doch die Muschel zerbricht unter Romys Druck – schnell läuft sie los und wirft die einzelnen Muschelteile doch noch zurück ins Meer. Doch zu spät – die Schönheit der Muschel ist fort.
“Du wolltest sie nicht verlieren, aber gerade deswegen hast du sie verloren.”
Die zarten Illustrationen von Martina Hoffmann spiegeln auf besondere Art und Weise die für Romy so verzweifelnde Situation wieder und lassen kleine LeseEntdecker ganz in die Geschichte eintauchen. Den einzelnen Figuren werden zeichnerisch Details beigefügt, die so im Text nicht vorkommen und machen sie somit zu ganz eigenen Charakteren. Auch andere Bestandteile der Geschichte werden von Martina Hoffmanns Zeichnungen besonders hervorgehoben. So wirkt das Meer beispielsweise meist ruhig – nur an der Stelle, wo Romy die zerbrochene Muschel zurück ins Meer wirft, kommt es einem viel stürmischer vor. Zeichnerisch besonders hervorgehoben wird natürlich auch die Muschel, hat sie doch eine so wichtige Rolle in der Geschichte. Am liebsten hätten wir sie aber aus dem Buch herausgenommen, so schön und besonders wie sie gezeichnet ist.
Mit der Muschel hat Tanya Stewner ein wunderbares Sinnbild für die Freundschaft geschaffen. Wunderschön und zerbrechlich ist sie – wir suchen nach ihr und sind glücklich, wenn wir eine gefunden haben. Aber eigentlich gehört sie ins Meer.
“Die Dinge, die man besonders lieb hat, darf man nicht festhalten”, sagte sie dann. “Man muss sie loslassen, damit sie frei sein können.”
Natürlich bekommt Romy noch eine zweite Chance, um zu zeigen, dass sie loslassen kann. Eine andere, ebenso wunderschöne Muschel gilt es wieder zurück ins Meer zu werfen. Schaffst sie es, wird sie auch verstehen, was wahre Freundschaft bedeutet.
Ein ganz tolles Buch mit einer wichtigen Botschaft und wunderbaren Illustrationen. Für Mädchen – aber auch für Jungen. Zum Vorlesen – aber auch schon zum Selbstlesen. Nichts wie hinein in den EntdeckerKoffer.