Ginpuin – Von einem, der auszog, das Glück zu finden

Mit der diesjährigen Sommerinszenierung für das Sonnenhäusel im Großen Garten ist dem tjg. theater junge generation nicht nur ein perfekter Brückenschlag vom Buch auf die Bühne, sondern zusätzlich auch ein wunderbarer Übergang zwischen den Spielzeiten gelungen. Auf der einen Seite passt das Stück, das von einem kleinen Pinguin mit Sprachfehler handelt, wunderbar zum auslaufenden Spielzeitmotto Lass uns mal reden!, da es die Sprache gezielt in den Fokus rückt. Auf der anderen Seite läutet die Inszenierung gleichzeitig sehr schön das neue Motto Anders leben als Du ein, indem es die Sprache als ein wesentliches Merkmal, um sich voneinander zu unterscheiden und das Anderssein direkt wahrzunehmen, darstellt. Und das vor allem, weil sie dabei aufzeigt, welche Chance im Andersein liegt.

Ginpuin – Auf der Suche nach dem großen Glück von Barbara van den Speulhof, illustriert von Henrike Wilson und erschienen im Coppenrath Verlag. Am tjg. theater junge generation in einer Fassung von Winnie Karnofka unter Leitung von Moritz Sostmann aufgeführt.

Überall Eis – der Ginpuin vor der kleinen Bühne des Sonnenhäusels im Großen Garten
Buchvorlage © Coppenrath Verlag, Illustrationen: Henrike Wilson
Bühne, Kostüme, Puppen und Objekte © Christian Beck für tjg. Dresden


Und auch in Barbara van den Speulhofs großformatigem Bilderbuch geht es in erster Linie um die Bedeutung der Sprache, die einen kleinen Pinguin, der seinen Artgenossen auf den ersten Blick eigentlich komplett ähnelt, zu einem Ginpuin macht. Einem Ginpuin, der nur aufgrund seines Sprachfehlers den Stempel Du bist anders aufgedrückt bekommt – anstelle von Anerkennung, die er sich so sehr wünscht. Die sich im Grunde jeder wünscht.

Das Spiel mit der Sprache gefällt uns dabei natürlich besonders gut, denn mit genau diesem Zusammenspiel von Wiederholungen und Wortverdrehern wie beispielsweise Flimmschwossen statt Schwimmflossen, Warz und Schweiß statt Schwarz und Weiß oder aber sogar Scheisolle statt Eisscholle macht man den kleinen LeseEntdeckern unheimlich viel Lust, selbst einmal mit Wörtern und Lauten herum zu experimentieren. Und so wiederum entsteht Spaß und Freude an der Sprache.

Eine großartige Geschichte also, in der neben der Sprache aber auch Mut, Freundschaft, Heimat und nicht zuletzt das titelgebende Glück eine wichtige Rolle spielen. Denn der Ginpuin, der mit der Zeit immer unglücklicher zu werden droht, beschließt die Insel der Pinguine zu verlassen, um denen zu zeigen, dass man sich über ihn nicht lustig machen darf und er etwas schaffen kann.

Ich rache eine Meise!
Anz galleine!

Ginpuin


Fragen wie Wo finde ich mein Glück?Wie kann ich so, wie ich bin, angenommen werden? oder aber Wo gehöre ich hin? stellt die Autorin zwischen ihren Zeilen und lässt sie manchmal sogar von der Illustratorin Henrike Wilson in ihren großen, querformatigen Bildern beantworten. Die Bewegung der Typografie in den Textabschnitten unterhalb der Illustrationen macht das Vorlesen noch interessanter und wurde vielleicht sogar deswegen so gestaltet, weil man den Spaß am Fabulieren und Spielen mit den Wörtern so zusätzlich noch visualisieren wollte.

Innenseite aus: Ginpuin – Auf der Suche nach dem großen Glück © Coppenrath Verlag, Illustrationen: Henrike Wilson
Innenseite aus: Ginpuin – Auf der Suche nach dem großen Glück © Coppenrath Verlag, Illustrationen: Henrike Wilson


Für die Inszenierung im Sonnenhäusel hat der Regisseur Moritz Sostmann die Geschichte nun in den Dresdner Sommer geholt. Mit einem gekonnten Kniff leben die Pinguine also nicht mehr auf einer Insel umgeben von der ewigen Kälte, sondern inmitten des Großen Gartens unter einem herrlich grünen Blätterdach. Da ihre Vorliebe für jede Menge Eis allerdings nicht so einfach durch etwas anderes zu ersetzen ist, gibt es freilich auch hier jede Menge Eis. Und einen Eisverkäufer.

Dieser Eisverkäufer hat es nun folglich zwar nicht leicht, denn die Pinguine belagern und berauben ihn regelmäßig. Doch zum Glück weiß er sich zu helfen und erzählt ihnen die schönsten Geschichten aus dem ewigen Eis. Diesmal: Ginpuin – Auf der Suche nach dem großen Glück.

Eisverkäufer und Geschichtenerzähler in einem (Moritz Schwerin) mit den Pinguinen (Florian Thongsap, Viviane Podlich und Patrick Borck) – Szene aus: Ginpuin – Auf der Suche nach dem großen Glück © tjg. Dresden, Foto: Marco Prill


Und schwupp sind die kleinen Zuschauer mitten in dem Abenteuer des tapferen Ginpuins, dessen Pinguinidentität im Stück durch einen Pinguin-Check überprüft wird. Der ist erst einmal ziemlich lustig, doch offenbart den Kindern schließlich, dass nur eine Unterscheidung von der Masse ausreichen kann, um ausgelacht zu werden. Ziemlich unfair – das muss gar nicht extra gesagt werden. Der Ginpuin jedenfalls lässt erst einmal den Kopf hängen und weiß so gar nicht recht, wohin nun mit sich. Eigentlich fühlt er sich doch ganz normal. Muss er womöglich ein Held sein, um anerkannt zu werden? Und was hat das alles damit zu tun, wie er spricht? Schließlich weiß er immer ganz genau, was er sagt. Nur die anderen verstehen ihn nicht und lachen über ihn.

Zum Glück trifft der Ginpuin auf seiner Reise dann aber auf Albrecht, den Albatros und Regina, die Möwe. Beide wohnen in der Mülltonne, finden das allerdings ganz normal, sind äußerst musikalisch und sehr liebenswert. Wo der Albatros eher etwas schwer von Begriff ist, ist die Möwe dafür umso schlagfertiger. Und sie ist es auch, die Ginpi, wie sie den Ginpuin liebevoll nennt, die Augen öffnet.

Zum Mitschreiben, Ginpi:
Es gibt kein Gleichsein im Anderssein.
Jeder kann so anders sein,
wie er will.

Regina, die Möwe


Innenseite aus: Ginpuin – Auf der Suche nach dem großen Glück © Coppenrath Verlag, Illustrationen: Henrike Wilson vor Albrecht und Regina (gespielt von Moritz Schwerin und Viviane Podlich, entworfen von Christian Beck)
Detail aus: Ginpuin – Auf der Suche nach dem großen Glück © Coppenrath Verlag, Illustrationen: Henrike Wilson
Ginpuin (Florian Thongsap Welsch) macht Flugübungen – im Hintergrund nähern sich die Mülltonne mit Albatros Albrecht und Möwe Regina (gespielt von Moritz Schwerin und Viviane Podlich, geschoben von Patrick Borck) – Szene aus: Ginpuin – Auf der Suche nach dem großen Glück © tjg. Dresden, Foto: Marco Prill


Und von da an, scheint das Glück auf Ginpis Seite zu sein. Er begegnet dem gutmütigen Fischer Otto, der ihn mit seinem Fisch mitnimmt, übersteht unversehrt einen starken Sturm auf hoher See und gelangt schließlich zu einer sprechenden, grünen, extra grünen Premiuminsel, auf der lauter posa Ruschel leben. Der Ort, wo das Glück zuhause zu sein schein.

Der Übergang vom Schauspiel zum Puppenspiel und auch wieder zurück ist wunderbar fließend gestaltet und es macht jede Menge Spaß die verschiedenen Theaterformen, die hier zusammenkommen, nebeneinander zu genießen. So sorgte zum Beispiel zur Premiere des Stücks der Auftritt der singenden Schafe, deren Lippen sich perfekt zum Songtext zu bewegen scheinen, für jede Menge Spaß und Applaus im Publikum. Und auch der Titelsong der Inszenierung hat eindeutig Ohrwurmqualitäten und das meinen wir definitiv im positiven Sinne.

Innenseite aus: Ginpuin – Auf der Suche nach dem großen Glück © Coppenrath Verlag, Illustrationen: Henrike Wilson vor Fischer Otto und Ginpuin (gespielt von Patrick Borck und Florian Thongsap Welsch)
Die grüne, extra grüne Premiuminsel (Moritz Schwerin) mit Ginpuin (Florian Thongsap Welsch) – Szene aus: Ginpuin – Auf der Suche nach dem großen Glück © tjg. Dresden, Foto: Marco Prill


Neben der Musik sind es aber noch viele weitere Ideen und Kunstkniffe, die den Ginpuin auf der Bühne vom tjg. besonders liebens- und eben auch sehenswert machen. So hat man sich beispielsweise für das Stück viel mehr Wortverdreher überlegt und Barbara van den Speulhofs Prinzip von Ginpuins besonderer Sprache scheint sich im Anschluss an die Inszenierung unter dem Publikum zu verselbständigen. Überall hört man wie schunderwöhn das doch war und wie schmecker doch das Eis leckt, das man direkt am Ausgang des Sonnenhäusels kaufen kann.

Am Ende wird die Frage, wo das große Glück denn nun zu finden ist, natürlich nicht wirklich beantwortet. Wie auch? So bedeutet Glück doch für jeden etwas anderes. Aber eins zeigt der Ginpuin in jedem Fall auf – im Buch wie auch auf der Bühne. Dass man nur dann glücklich sein kann, wenn man auch zu sich selbst steht, was aber wiederum voraussetzt, dass man eben bereits eine gewisse Anerkennung für sein Tun und Sein erfahren hat.

Und das ist in unseren Augen die wohl wichtigste Botschaft dieser besonderen Geschichte. Wir alle sollten uns mehr Anerkennung schenken und das vor allem auch der jüngsten Generation so kommunizieren. Die rosa Schafe sind da eine wunderbare Inspiration.

Du musst wiederkommen
und erzählen,
wie das war
mit dem Glück
am anderen Ende der Welt!

Die Schafe


Innenseite aus: Ginpuin – Auf der Suche nach dem großen Glück © Coppenrath Verlag, Illustrationen: Henrike Wilson vor zwei rosa Schafen der Inszenierung (gespielt von Patrick Borck, Viviane Podlich und Moritz Schwerin, entworfen von Christian Beck )
Die rosa Schafe (gespielt von Patrick Borck, Viviane Podlich und Moritz Schwerin) mit Ginpuin (Florian Thongsap Welsch) – Szene aus: Ginpuin – Auf der Suche nach dem großen Glück © tjg. Dresden, Foto: Marco Prill


Die Sommerinszenierung vom Ginpuin mit all ihren lustigen und kreativen Wortverdrehern sowie Einfällen ist in dieser Spielzeit noch bis zum 04. Juli im Sonnenhäusel zu sehen. Für viele Vorstellungen gibt es noch Karten und wir empfehlen sie an dieser Stelle von ganzem Herzen. Ein herrliches Sommerstück für die ganze Familie, das sicher keine Erwartungen enttäuscht und bei großer Hitze sogar für die notwendige Abkühlung sorgt.

Vielen Dank abschließend auch noch an Herrn Macha, der uns im Gespräch geduldig viele Details verraten und Antworten gegeben hat.

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