Nachdenken über Umwelt, Natur und Zukunft: Kinder- und Jugendbücher mit Perspektive (Teil I)

Schon länger habe ich diesen Beitrag vorbereitet, habe mich durch die vielen Umwelt-, Natur- und Zukunftstitel für Kinder und Jugendliche gelesen und überlegt, was hinter meiner Buchauswahl stehen bzw. was zwischen meinen Zeilen zu lesen sein soll. Ich hatte Bücher mit verschiedenen Schwerpunkten und für unterschiedliche Empfängergruppen ausgewählt, Bilder- wie auch Sachbücher, Naturführer und Bildbände – in jedem Fall war es eine umfangreiche Sammlung.

Wer wir waren © S. Fischer Verlag


Dann habe ich die Zukunftsrede Wer wir waren von Roger Willemsen gelesen und habe Auswahl und Intension meines Textes noch einmal komplett überarbeitet. Denn bei der Lektüre dieses bedeutenden Werkes habe ich so sehr verstanden, wie noch nie zuvor, dass es zwar dringend notwendig und auch wichtig ist, wenn jede und jeder Einzelne von uns aktuell einen Beitrag zum Umweltschutz leistet, nachhaltig und aufmerksamer lebt sowie Lebensgewohnheiten überdenkt, es aber noch viel essenzieller ist, unsere Kinder dafür zu sensibilisieren. Ihnen von Anfang an eine wirkliche Möglichkeit zu geben, die Bedeutung von Pflanzen, Tieren und ihrem – ja auch unserem – Lebensraum zu verinnerlichen und dementsprechend zu leben und zu handeln.

Und damit meine ich nicht ein Aufbürden von Verantwortung an die nächste Generation, weil unsere aktuelle Gesellschaft und Weltordnung nicht in der Lage ist, Schieflagen und Probleme zu verändern, sondern ich meine das Mitgeben eines tiefen Bewusstseins dafür, dass unser Planet in all seiner Schönheit und Vielfalt nicht selbstverständlich ist und wir ihn schützen müssen, um ihn zu bewahren. Und dieses Bewusstsein wächst am besten, wenn wir es bereits ganz am Anfang, in der frühen Kindheit, säen und über die Jahre des Heranwachsens immer wieder hegen und pflegen. Bücher sind neben dem Vorbildsein da eine wunderbare, unterstützende Möglichkeit, sollten aber trotzdem mit Bedacht und auf die individuellen Bedürfnisse der jungen LeserInnen ausgewählt werden. Nicht jeder Titel, der Natur, Umwelt und Nachhaltiges Handeln zum Thema hat, eignet sich gleich gut zur Vermittlung.

Die nun folgende Auswahl an Titeln ist die ausgedünnte Version meiner ursprünglichen Sammlung, teilt sich auf in zwei Beiträge und ist im Grunde auch nur ein Ausschnitt. Alle versammelten Titel eint aber, dass sie mich im Hinblick auf das Bewusstmachen und Verankern besonders überzeugt haben und sollen daher exemplarisch für die notwendige Umweltbibliothek im Kinderzimmer stehen, die ich im Übrigen jedem Heranwachsenden von Herzen wünsche – gleich hinter dem begrünten Balkon, Garten oder Wald vor der Nase.

Umweltbibliothek von Anfang an
Umweltbibliothek von Anfang an – Fünf Titel, ein Ziel


Gleich zu Beginn soll das umfassendste Werk meiner Auswahl stehen. Es gleicht beinahe einem Kompendium über unseren Planeten und ermöglicht einen Blick auf die Erde, wie ihn sonst nur AstronautInnen haben – aus der Ferne nämlich und mit genügend Abstand. So werden die jungen LeserInnen in die Situation versetzt, mit klarem Blick auf unsere Welt zu schauen und erkennen womöglich, dass ein Blick von außen immer hilft und dass dieses zerbrechliche Raumschiff Erde sehr viel kleiner ist, als die allermeisten Menschen sich vorstellen können. So hat es der Astronaut Alexander Gerst in seiner Nachricht an seine Enkelkinder von der ISS aus, während seiner Horizons Mission 2018 schon so treffend gesagt.

Eine neue Welt – Die Natur, die Menschen und die Zukunft unseres Planeten von Sascha Mamczak und Martina Vogl, illustriert von Katrin Stangl und erschienen im Peter Hammer Verlag.

Eine neue Welt – Die Natur, die Menschen und die Zukunft unseres Planeten © Peter Hammer Verlag, Illustration: Katrin Stangl


Diese Perspektive wird im Buch immer wieder aufgegriffen und sie führt wie ein roter Faden durch die vielen interessanten Kapitel, von denen ich keins besonders hervorheben kann, so sehr haben sie mich überzeugt – vor allem in Hinblick auf die jungen Menschen, die sie ansprechen sollen. Denn das werden sie so unsagbar gut – einfach weil Sascha Mamczak und Martina Vogl hier einen Ton treffen, der ihnen wirklich das Gefühl gibt, dass ihre Meinung und ihr Tun zählen und sie durch eigene Ideen die Zukunft mitgestalten können. Und das ohne ihnen feste Listen abzudrucken, was sie am besten zu tun oder zu lassen haben. In diesem unglaublich lehrreichen Buch geht es darum, sich selbst eine Meinung zu bilden und sich selbst zu ermächtigen klare Entscheidungen treffen zu können.

Das gelingt, indem man die Zusammenhänge versteht. Zusammenhänge, die dieses Buch aufzeigt und die fächerübergreifend in der Schule sicher so niemals rübergebracht werden könnten. Angefangen beim Ist-Zustand unseres Planeten und der Rolle des Menschen dabei, über den wichtigen Aspekt der Entfremdung von der Natur und der Trennlinie, die der Mensch zwischen sich und anderen Lebewesen zieht bis hin zur Tatsache, dass Fortschritt nichts mit einem Immer mehr zu tun hat und dass der Ausruf nach einer neuen Welt kein Wunsch sondern eine Notwendigkeit darstellt.

Das alles liest sich unheimlich interessant und egal, von wo die LeserInnen auf das Geschriebene blicken, sie werden genau dort abgeholt. Sprachlich sind die Texte auch schon von etwas jüngeren Kindern zu verstehen, inhaltlich müssen bestimmte Sachverhalte dann aber begleitet werden. Generell ist dieses Buch aber ohnehin ein Buch, dass ruhig über einen längeren Zeitraum des Jugendalters entdeckt werden kann. Die ausgewählten Zitate, die starken und aussagekräftigen Illustrationen, die lesefreundliche Typografie und der großartige Anhang zum Weiterlesen, Weiterschauen und Weiterdenken machen dieses Buch schließlich zu einem sehr wichtigen Jugendsachbuch mit Perspektive, warum es auch überhaupt nicht verwundert, dass es für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2021 nominiert wurde.

Um die Selbstermächtigung unserer Kinder geht es auch im nächsten Titel, in dem Kinder aus der ganzen Welt mit ihren individuellen Projekten und Aktionen für eine bessere Zukunft vorgestellt werden.

Groß genug, die Welt zu retten von Loll Kirby, übersetzt von Conny Lösch und illustriert von Adelina Lirius, erschienen im Insel Verlag.

Groß genug, die Welt zu retten © Insel Verlag, Illustration: Adelina Lirius
Innenseite aus: Groß genug, die Welt zu retten © Insel Verlag, Illustration: Adelina Lirius


Was ich an diesem Buch so besonders mag, ist die hohe Identifikationsmöglichkeit der kleinen LeseEntdecker mit den Kindern im Buch, weil diese so herrlich unmittelbar vorgestellt werden. Durch den vorangestellten Ausspruch der jeweiligen kleinen Hauptpersonen sind sie auf jeder neuen Doppelseite sofort immer wieder bei diesem bestimmten Kind und seiner Geschichte. Und diese Geschichten bewirken so viel mehr, als wenn die entsprechenden Probleme in den unterschiedlichen Ländern ohne diesen Zusammenhang dargestellt werden würden. Sofort ist Bereitschaft zum Hineinversetzen da – auch schon bei noch relativ kleinen Kindern, die Hintergründe und Bedeutung noch nicht einordnen können. Selbst bei ihnen bleiben die grundlegendsten Inhalte haften, eben weil sie direkt mit Felix aus Deutschland, Adeline aus Indonesien, Eunita aus Kenia oder Nikita aus der Ukraine verbunden sind.

Und diese Inhalte reichen vom Einsatz für bestimmte Tiere oder Pflanzen, über Aktionen gegen Umweltverschmutzung an ganz unterschiedlichen Teilen der Welt bis hin zu ganz konkreten Projekten für mehr Bewusstsein im Bereich Lebensmittel- und Wasserverbrauch.

Ein wunderschönes Sachbilderbuch zum Staunen, Verstehen und Nachahmen – mit viel Wissen, herrlich vielfältigen Illustrationen und tollen Einblicken in andere Länder und Kulturen. In jedem Fall ein Mutmachbuch, welches Kinder darin bestärkt, dass man nicht groß sein muss, um Großes zu bewirken.

Innenseite aus: Groß genug, die Welt zu retten © Insel Verlag, Illustration: Adelina Lirius
Innenseite aus: Groß genug, die Welt zu retten © Insel Verlag, Illustration: Adelina Lirius


Fortsetzung folgt...

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