Manchmal beginnt man etwas Neues am besten mit einem Blick zurück. Unser Rückblick in diesem noch recht frischen Jahr führt uns noch einmal in den vergangenen November, der uns für zwei ganz wunderbare Gespräche in die Hauptstadt reisen lassen hat. Und weil wir aus diesen Begegnungen dort in so vielerlei Hinsicht unbeschreiblich viel Freude und Zuversicht auf und für 2018 mitgenommen haben, sollen sie nun symbolisch hier das neue LeseEntdeckerJahr einläuten. Den Anfang macht das Gespräch mit der wundervollen Illustratorin und Künstlerin Britta Teckentrup, das wir im Folgenden nun noch einmal Revue passieren lassen möchten.
Unser Treffpunkt ist ein kleines italienisches Café mit integrierter Salumeria mitten in Prenzlauer Berg. Gerade noch so gibt es für uns einen freien Tisch – trubelig und geschäftig geht es her, Kaffeeduft liegt in der Luft und der Raum ist erfüllt von diesem typischen Grundrauschen eines Cafés aus Gesprächen, Geschirrgeklapper und leiser Hintergrundmusik. Es dauert nicht lange und auf unserem Tisch stehen zwei Tassen Kaffee, Bücher werden ausgebreitet und es heißt abtauchen in Brittas wunderbare Welt aus Bildern, Lyrik und Atmosphäre.
Was besonders auffällt, wenn man sich Brittas Arbeit anschaut, ist das weite Spektrum und die Vielfalt an Veröffentlichungen. Da gibt es beispielsweise für die Allerkleinsten die Natur-Pappbuch-Reihe, die verschiedene Tiere vorstellt oder das Klappenbuch über die Wunderdinge der Natur. Für etwas größere Kinder geht es weiter mit den Guckloch-Büchern zum Baum, den Bienen und ganz neu zum Mond, außerdem mit verschiedenen Tierbilderbüchern wie zum Beispiel Greta Glühwürmchen, Neon Leon oder Weck bloß den Tiger nicht auf. Wunderbar sind auch ihre unterschiedlichen Such-Bücher, die besonders das genaue Hinschauen der kleinen LeseEntdecker fördern sollen oder die hinreisenden Abenteuer des kleinen Raben Oskar. Und nicht zuletzt verbindet man den Namen Britta Teckentrup seit geraumer Zeit auch mit Kunst im Kinderbuch, wie die Titel Alle Wetter, Worauf wartest du? Das große Buch der Fragen, Das Ei oder Die Feder eindrucksvoll beweisen.
Wir haben Britta gefragt, wie es zu dieser Bandbreite gekommen ist und ob die Tatsache, dass ihre Bücher in Deutschland in mehreren verschiedenen Verlagen erscheinen, damit womöglich in Verbindung steht.
Dafür müsse sie weit ausholen, erklärt sie uns – und zwar bei ihrem ersten Kinderbuch-Auftrag, den sie – gerade frisch von der Universität – 1993 erhalten hat. Eigentlich wollte sie damals gar keine Kinderbücher machen, sondern noch ein Masterstudium in freier Kunst am Royal College of Art in London anschließen, was sie schließlich auch tut. Um nebenbei allerdings etwas Geld zu verdienen, beginnt sie doch Kinderbücher zu illustrieren. Welch Glück, muss man aus heutiger Sicht sagen, denn genau dort liegen die Ursprünge für Brittas jetziges Tun und Schaffen.
Ihr Stil und ihre Herangehensweise waren damals schon ähnlich wie heute, das erkennt man bei diesem ersten Kinderbuch deutlich. Allerdings schlägt Britta danach stilistisch erst einmal einen veränderten Weg ein und trennt ihre Illustrationsarbeit von ihrer eigentlichen künstlerischen Arbeit. Das eine der Job, das andere die Leidenschaft. Das betrifft vor allem die Jahre, in denen sie ausschließlich für einen Londoner Verlag tätig ist, sich dort auch an konkrete Vorgaben halten muss und relativ wenig Neues ausprobieren kann. Aus dieser Enge heraus entsteht der Wunsch, sich mehreren Verlagen und somit auch mehreren Möglichkeiten hin zu öffnen, was sie schließlich auch in die Tat umsetzt. Bis 2010 erscheinen Brittas Bücher komplett bei ein paar wenigen britischen Verlagen. Erst als sie nach 17 Jahren nach Deutschland zurückkommt, werden auch die deutschen Verlage auf sie aufmerksam. Zuvor wurde ihr oft gesagt, dass ihr Stil nicht auf den deutschen Kinderbuchmarkt passe.
Einige ihrer ersten Veröffentlichungen hier sind dann auch erst einmal Lizenzeinkäufe aus England. Teilweise weiß Britta davon aber gar nichts bzw. hat darauf auch wenig Einfluss. Heute arbeitet sie direkt mit Jacoby & Stuart, Prestel und Ars Edition zusammen. Bei diesen drei – doch recht unterschiedlichen Häusern – fühlt sie sich in verschiedener Hinsicht verstanden und die unterschiedlichen Ausrichtungen erlauben es ihr zwar weiterhin vielseitig zu arbeiten, zugleich aber das eigene Profil zu schärfen und daran zu wachsen. Besonders wichtig, so hören wir im Gespräch heraus, ist ihr heute aber vor allem die Möglichkeit, sich selbst treu bleiben zu können und die Bücher so zu entwickeln, wie sie aus ihrem Innersten heraus wollen.
Die Arbeitsweise von Britta Teckentrup kann man am besten als Mischtechnik aus handgemachter und digitaler Collage bezeichnen. Die Grundlage dafür sind verschiedenste bedruckte und strukturierte Papiere. Am Beispiel ihres wunderbaren Bilderbuches Zusammen unter einem Himmel hat sie uns erklärt, wie wir uns das im Detail vorstellen können.
Angefangen hat alles komplett handgemacht. Bevor der Computer Britta die Arbeit an verschiedenen Stellen erleichtert hat, kann man sie sich auf dem Boden sitzend in einem Meer von Schnipseln vorstellen. Zuvor wurde leidenschaftlich gewalzt, rumgematscht und herumprobiert. Meist mit Ölfarbe entstanden so erst die strukturierten Papiere, aus denen Britta sich dann die passenden Formen und Teile für ihre Bilder heraus geschnitten hat. An dieser Vorgehensweise habe sich bis heute vom Prinzip her auch nicht wirklich viel geändert, erzählt uns Britta mit leuchtenden Augen. Das Schaffen von neuen Strukturen sieht heute noch genauso aus wie vor 15 Jahren auch schon – nur die weiteren Schritte haben sich eben dem Fortschritt angepasst. Ausgeschnitten wird beispielsweise mithilfe von Lasso und Co in Photoshop, die Strukturen bleiben so erhalten und sind nach Verwendung nicht verloren. Das sei ein großes Plus dieser Art zu arbeiten, verrät uns Britta weiter. Außerdem lassen sich die Farben einfacher ändern und alles ist viel ordentlicher und sauberer. Es gebe auch keine kleinen Schnipsel mehr an der Hose, lacht sie. Alles sei dort, wo es hingehöre – aufgeteilt auf reichlich Photoshop-Ebenen, denn das Zusammensetzen und somit eigentliche Entwickeln der Bilder findet am PC statt. Die Strukturen ebenso direkt am Computer zu erschaffen, würde für Britta allerdings nie in Frage kommen – viel zu intuitiv entwickele sie dafür ihre Bücher. Manchmal brauche es regelrecht einen gewissen Fundus an Strukturen, in dem sie dann genau die Form oder Figur entdecke, die ihr die springende Idee für ein neues Buch gibt. Auch Skizzenbücher sucht man bei Britta vergeblich – zumindest die offensichtlichen. Im Herzen – da sind wir uns aber sicher – trägt sie jede Menge Ideen und Inspirationen mit sich. Das spürt man ganz deutlich, wenn sie so von ihrer Kunst erzählt.
Hin und wieder rückt Britta diesen Entstehungsprozess ihrer Bücher auch für die kleinen LeseEntdecker ganz bewusst in den Fokus und gibt Workshops. Natürlich hat uns das ganz besonders interessiert und wir haben nachgefragt. Wir wollten wissen, worauf es ihr bei dieser Art von Kontakt mit den kleinen Lesern ankommt und wie sie ihre Workshops gestaltet.
Eigentlich seien Workshops gar nicht so ihr Ding, erzählt sie uns. Es koste sie immer erst ein wenig Überwindung. Aber sie sei sich schon darüber im Klaren, wie wertvoll so ein Zusammentreffen von Illustratorin und kleiner Leserschaft sein kann und mache es deswegen eben doch immer wieder gern. Und jedes Mal nehme sie sich dafür auch wirklich viel Zeit und eine lange Vorbereitungsphase. Nur so könne sie diesbezüglich ihren eigenen Ansprüchen gerecht werden, denn wenn sie einen Workshop gebe, dann nur mit vollem Herzblut.
In der Regel sind Brittas kleine Kunstseminare eine Mischung aus Lesung, Vermittlung von Wissenswertem und Möglichkeit des künstlerischen Ausprobierens. Den Kindern soll ein Gespür für künstlerisches, kreatives Arbeiten vermittelt werden. Bei dem Workshop zu ihrem Bienen-Buch beispielsweise erzählt Britta den Kindern am Anfang ein wenig zur Bedeutung der Tiere und liest die Reime vor. Danach gibt es für die kleinen LeseEntdecker eine Art Animation ihrer Arbeitsweise zu sehen, die ihnen am Ende eine Idee davon gibt, was eine Collage ist und wie man sie macht. Letzteres kann und soll dann schließlich noch ausgiebig probiert werden. Dafür hat Britta jede Menge Material, Papiere und Farben im Gepäck und die Kinder können ebenso nach Herzenslust walzen, rummatschen und herum probieren. Vor allem dann, wenn der Workshop von der Kinderzahl und der verfügbaren Zeit so gestaltet ist, dass dafür viel Raum bleibt. Dann kann Britta sich auch auf jedes Kind einzeln konzentrieren und weiß am Ende genau, was jeweils entstanden ist. Nur leider ist dem nicht immer so und es heißt sehr oft auch einfach improvisieren.
Die Verbindung von Literatur und Kunst, so wie sie Britta Teckentrup für Klein und Groß schafft, eröffnet in unseren Augen herausragende Möglichkeiten für die Leseförderung. Denn immer dann, wenn verschiedene Darstellungsformen oder Disziplinen zu einander kommen, können Inhalte erlebbar gemacht werden. Brittas Bücher tun dies in besonderem Maße.
In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich auch die Frage, wie sie selbst es schafft, ihren künstlerischen Anspruch mit der jungen Zielgruppe und deren Bedürfnissen zusammenzubringen.
Britta schmunzelt bei dieser Frage und erklärt dann ganz klar, dass sie beim Arbeiten nicht wirklich eine Zielgruppe im Blick habe. Instinktiv wisse sie, dass es funktionieren wird. Außerdem traue sie gerade den Kindern unheimlich viel zu – sie werden viel zu oft unterschätzt. Denn ist es nicht so, dass sie gerade davon besonders angezogen werden, was sie eben noch nicht komplett fassen können? Ihre Wetter-Bilder beispielsweise seien natürlich nicht direkt für kleinere Kinder gemacht, aber das heiße noch lange nicht, dass sie sie nicht ebenso faszinierend finden können. Erst beim Hinterfragen und Nachdenken komme man doch weiter und wachse über sich hinaus – ob nun Groß oder Klein, das spiele dabei keine Rolle. Zum Glück sehe man das beispielsweise bei Jacoby & Stuart genauso, erzählt Britta weiter. Ohne das Vertrauen und den Mut eines solchen Verlages, wäre es natürlich viel schwieriger für sie ihre Kunst kleinen LeseEntdeckern zugänglich zu machen.
Wir sehen das genauso und freuen uns schon sehr auf so einige solcher Neuerscheinungen, die Britta gemeinsam mit Jacoby&Stuart plant. Ein Titel, der es uns besonders angetan hat, ist ein bezauberndes Pappbilderbuch mit vielen Türen zum Öffnen und Schließen, das noch diesen Februar erscheinen wird. Schon Brittas kleiner Buchdummy, den sie beim Gespräch dabei hatte, hätten wir am liebsten für die LeseEntdeckerBibliothek mitgenommen. Seite für Seite stoßen zwei Kinder immer wieder auf eine neue Tür, hinter der es Neues zu entdecken gibt – eine ganz wunderbare Märchenreise, die auf besondere Art und Weise die Faszination des Verborgenen hinter einer verschlossenen Tür aufgreift und mittels ganz einfacher interaktiver Elemente erlebbar macht. Gedichtet in Deutsch von Britta selbst, was deswegen hervorzuheben ist, weil ihre Texte sonst auf Englisch entstehen und erst noch ins Deutsche übertragen werden müssen. In jedem Fall ein ganz tolles Projekt – und hier gibt es schon einmal einen Einblick.
Auch bei unserer letzten Frage an Britta geht es in gewisser Weise um das Erlebnis Kinderbuch. Immer wieder werden ihre Illustrationen auch in Ausstellungen gezeigt. Ähnlich wie bereits bei ihren Workshops beschrieben, kann eine solche Verbindung besonders für kleine LeseEntdecker von großem Interesse sein. Uns hat interessiert, welchen Stellenwert Ausstellungen für ihr Tun haben und inwiefern sie auch für Kinder geeignet sind.
Ausstellungen mache sie sehr gern und gerade ergebe sich auch eine nach der anderen, freut sie sich. Beispielsweise stelle sie im März einige ihrer Bilder im Rahmen der Ausstellung Licht aus! Die Nacht im Bilderbuch in der Städtischen Galerie Rosenheim aus. Hin und wieder seien auch Ausstellungen speziell für Kinder dabei, wo es dann auch meistens ein kleines Rahmenprogramm gäbe. Gerade eben plane sie beispielsweise mit dem Team der Krumulus Buchhandlung in Berlin eine Ausstellung zu ihrem neuen Buch Die Feder, die passender Weise im Frühling zu sehen sein wird. Und auch im wunderbaren Buchsegler auf der Florastraße wird es 2018 für kleine Nachwuchskünstler noch eine Ausstellung mit Brittas Bildern geben. Wir sind schon sehr gespannt und bei Gelegenheit haben wir uns fest vorgenommen, einmal eine ihrer Ausstellungen zu besuchen und hier davon zu berichten.
Wir bedanken uns bei Britta an dieser Stelle für dieses unvergessliche Gespräch, bei dem sie uns ganz geduldig und mit sehr viel Leidenschaft all unsere Fragen beantwortet hat. Wir werden ihre Projekte gut im Auge behalten und ihre Bücher immer wieder in den EntdeckerKoffer einziehen lassen. Den Anfang macht gleich im nächsten Beitrag das Bilderbuch Zusammen unter einem Himmel, an dem uns Britta so vieles erklärt hat und das wir ohnehin schon längst vorstellen wollten. Die Botschaft dahinter ist zudem bestens für den Start in ein neues Jahr geeignet.