Bücher aus vergangenen Zeiten und was sie uns erzählen

Büchersammlungen in Wohnungen – egal ob als kleine Bücherstapel neben dem Bett oder aber als groß angelegte Privatbibliotheken – wir finden, sie geben dem Zuhause in gewisser Weise erst eine Seele. In ihnen befinden sich all die Geschichten, Bilder und Lieder – all das Wissen und all die Hoffnungen und Träume, die dem Besitzer im Laufe seines Lebens so viel bedeuten, dass er sie aufbewahrt und sich von ihnen umgeben lässt. Und damit erzählen sie selbst wohl die spannendsten Geschichten und verraten unheimlich viel über ein Leben.

Bei einem sehr langen Leben einer passionierten Leserin möchte man nun meinen, nimmt die Sammlung an Büchern ein sehr großes Ausmaß an. Aber in dem verlassenen Bücherregal unserer Urgroßmutter, um deren Bücherschätze es im Folgenden nun gehen soll, erschien es uns eher so, als habe jedes Buch darin seine genaue Berechtigung. Die Bücher, die sie darin zurück gelassen hatte, waren ihr wichtig gewesen – das war ganz klar ersichtlich. Und aus dieser Erkenntnis heraus ist die Idee zu diesem Text entstanden. Denn natürlich haben wir viele ihrer Bücher mitgenommen und ihnen einen neuen Platz in unseren Regalen gegeben.

Bücherschätze aus Urgroßmutters Bibliothek

Jede Menge Klassiker…

Beim Durchsehen der Bücher waren wir umgeben von diesem typischen, leicht vanilligen Geruch von alten Papieren und Einbänden, haben das abgenutzte Leinen immer wieder befühlt und so einige Widmungen oder Bleistiftvermerke entdeckt. Die Frage, welchen Wert diese beinahe vergessenen Bücher in unserer Gesellschaft, in der jährlich Unmengen an neuen Büchern erscheinen, überhaupt noch haben, beschäftigte uns dabei immer wieder. Kulturell, inhaltlich wie auch ästhetisch entsprechen manche von ihnen schon lange nicht mehr dem, was wir heute gewohnt sind oder was uns anspricht. Und dennoch geht von ihnen ein ganz eigener Charme aus, dem man sich als Enkel oder Urenkel nicht wiedersetzen kann und auch nicht sollte. Denn lässt man sich auf ihn ein und beginnt damit sich einzulesen, dann wird man eine ganz besondere Erfahrung machen – nämlich die, dass alles in gewisser Weise wiederkehrt und Bücher in der Lage sind, Generationen miteinander zu verbinden.

…und wunderschöne Naturführer.

Innenseite aus: Kleiner Naturführer von Joachim Oppermann

Innenseite aus: Kleiner Naturführer von Joachim Oppermann

Wir haben diese Erfahrung machen dürfen und möchten deswegen alle ermutigen den Wert der alten Bücher aus den Familienbibliotheken oder dem Nachlass der Groß- oder Urgroßeltern zu bewahren. Die schönste Form das zu tun, ist wohl die direkte Weitergabe an die kleinen LeseEntdecker. Sie in die Auswahl und den Umzug der betagten Drucksachen einzubeziehen, ermöglicht auf so vielen Ebenen Auseinandersetzung, Erkenntnis und nicht zuletzt natürlich Freude für alle Beteiligten.

Alte Naturführer, die an Aktualität nicht wirklich viel eingebüßt haben, werden freudig mit in den Frühling hinaus genommen, um Pflanzen, Insekten oder Vögel zu bestimmen. Märchensammlungen werden auf Bekanntes und Unbekanntes durchforstet und Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur werden mit ganz anderen Augen betrachtet. Außerdem ist es als Urenkel natürlich unheimlich spannend zu erfahren, welche Bücher die Uroma als Kind gelesen hat oder welche Bücher die Großeltern in ihrer Kindheit vorgelesen bekommen haben. Und nicht selten befinden sich natürlich auch jede Menge Bücher von Papa und Mama oder Onkel und Tante in den Bücherregalen der Urgroßeltern, denn die Bücher die man als Oma oder Opa mit seinen Enkeln liest, haben gewiss eine besondere Bedeutung im Bücherregal eines Lebens.

Wir haben dabei wahre Bücherschätze wiedergefunden, die nun einen ganz hervorragenden Kontrast zu all den Neuerscheinungen in der LeseEntdeckerBibliothek bilden und definitiv einen zweiten Frühling verdient haben. Herrliche Illustrationen beispielweise in einer alten Ausgabe von Pinocchio, die lustige Zahnputzgeschichte Die Maus und der Löwe, die wunderbar überraschend und lehrreich zugleich ist oder aber eine schon sehr abgeliebte Ausgabe des Zuckertütenbaums aus dem Jahre 1928.

Eine alte Ausgabe von Pinocchio aus dem Jahre 1956

Innenseite aus: Pinocchio von C. Collodi

Die Maus und der Löwe aus dem Jahre 1958

Innenseite aus: Die Maus und der Löwe

Und auch ein schon sehr zerschlissenes Pop-up-Buch des russischen Märchens Mascha und der Bär kann noch heute für leuchtende Augen sorgen – eben gerade weil es schon Mama als Kind so gern angeschaut hat.

Wert zu bewahren bedeutet auch immer etwas weiter zu geben – im materiellen Sinne in Form der Bücher als Gegenstand, aber eben auch im übertragenen Sinne, indem man die Erinnerung an eine Person und deren Liebe zu bestimmten Büchern bewahrt. Das Auseinandersetzen mit der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft  sowie unserer Herkunft und verschiedenen Traditionen funktioniert für die kleinen LeseEntdecker so ganz wunderbar.

Besonders schön wäre es natürlich, wenn die Weitergabe dieser alten Bücherschätze von der ältesten zur jüngsten Generation persönlich erfolgen könnte. Dem – solange es noch möglich ist – den nötigen Raum und vor allem die nötige Zeit zu geben, scheint in unserer heutigen Gesellschaft allerding die eigentliche Herausforderung zu sein. Weshalb man auch gar nicht oft genug betonen kann, wie wichtig es doch wäre Alt und Jung wieder mehr zueinander zu bringen und das Zusammensein verschiedener Generationen zu fördern. Wir glauben über Bücher könnte man da so manch neuen Weg gehen und verfolgen schon lange verschiedene Begegnungs-Projekte von Senioren und Kindern, in denen das Vorlesen bzw. der Austausch über Bücher im Vordergrund steht.

Mascha und der Bär als Pop-up Buch

Innenseite aus: Mascha und der Bär als Pop-up Buch

Neben den Büchern haben wir außerdem noch eine kleine Sammlung an Schallplatten mitgenommen, die hauptsächlich aus Märchen und Kinderliedern besteht, aber auch solche Besonderheiten wie beispielsweise eine Platte zu den Vogelstimmen aus Mitteleuropa beinhaltet und somit ganz wunderbar zu den gefundenen Naturführern passt. Und wo noch (oder wieder) ein Schallplattenspieler vorhanden ist, dort sind diese antiken Hörbücher in jedem Falle ein akustischer Hochgenuss, der einem Raum – ähnlich wie die Büchersammlungen – unglaublich viel Atmosphäre verleiht.

Märchenstunde…

…oder Vogelkonzert über den Plattenspieler

Wir sind uns darüber bewusst, dass es sich hier um eine sehr individuelle Auswahl an Bücherschätzen handelt und viele der Bücher ohnehin nicht mehr zu bekommen sind. Sie sollen auch vielmehr exemplarisch für die Schönheit, die in alten Büchern steckt, stehen. Und sie sollen aufzeigen, wie bedeutend es für einen kleinen LeseEntdecker sein kann, zu erkennen, dass ein Bilderbuch über den Wald aus dem Bücherregal der Urgroßmutter wertvoller sein kann, als eine vergleichbare Neuerscheinung. Nicht weil es mehr Informationen, schönere Illustrationen oder spannendere Mitmach-Tipps beinhaltet – nein, denn da haben die Titel von heute sicherlich mehr zu bieten. Ein Bilderbuch aus dem Bücherregal der Urgroßmutter kann deswegen wertvoller sein, weil es ein Teil des eigenen Lebens ist.

Waldspaziergang – ein Bilderbuch über den Wald von 1978

– In Gedenken an Anni. –

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